Alle Jahre wieder - Halloween als Gretchenfrage


Jedes Jahr, wenn unser Reformationsfest naht,  werden in den Gemeinden Überlegungen angestellt, wie man sich zu dem Spektakel namens Halloween positionieren sollte, das ja parallel stattfindet.
Diese Überlegungen sind längst schon eine Tradition wie „Dinner for One“ zu Silvester, und gute Traditionen sollte man pflegen.

Heuer wollen wir nicht wie 2020 nach Wittenberg blicken zu Dr. Luther und seinen höchst privaten Dämonen, sondern nach Irland. Irland ist heute zumindest im Süden extrem katholisch ( wäre es auch im Norden, wenn nicht ein gewisser Heinrich VIII seine Vielweiberei hätte ausleben müssen, aber mit dem Problem der Ehe im Christentum befasst sich Pfarrer Last bereits am Sonntag vor Halloween).  Als Protestanten könnten wir aber zumindest alles südlich von Derry aus kritischer Distanz sehen.

Außer natürlich den Whisky, den Irish Stew, die Musik, die Geselligkeit, die wunderschönen und für ihre Dickköpfigkeit bekannten rothaarigen Schönheiten und die wunderbaren Leute, die den Brexit ablehnen und damit großartige Europäer sind. Also letztlich doch nicht wirklich kritische Distanz....naja egal.

Also: Die Iren sind zwar sehr katholisch, aber eben auch keltischer Abstammung. Die Tradition haben die Missionare nie herausgebracht, das Heidnische, so seufzten sie, sei tief in der irischen Seele verwurzelt und im nicht-römischen Irland verlief die Christianisierung daher anders, Duiden blieben Teil der Gesellschaft, Traditionen wurden verflochten mit dem neuen Christentum.  Wir kennen Weihnachtstannen, Ostereier und (zumindest im Sorbischen) Osterwasser, die Iren jedoch haben neben vielen sehr alten Bräuchen sogar exklusiv Elfen, das stille Volk, das wie in Island unsichtbar mitmischt und für manchen derben Streich verantwortlich zeichnen soll.  Und all dies scheint keinen Widerspruch zur Religion darzustellen, jedenfalls gelingt die doppelte Buchführung seit alters her zwanglos. In Irland gibt es heute auch eine Vielzahl alter Geschichten. Die werden mit Whisky besser und unterhaltsamer; wenn sie gesungen werden, was oft vorkommt, werden sie noch besser und noch unterhaltsamer, was einen aber motiviert, noch mehr Whisky zu trinken.

Eine der besonders beliebten traditionellen Geschichten handelt folgerichtig von Tim Finnegan, der im Suff von der Leiter fällt und sich das Genick bricht. Als auf seiner Totenwache aber die Gäste eine Prügelei beginnen, wird seine Leiche aus einem zerbrochenen Whiskyfaß übergossen, er kehrt dadurch ins Leben zurück und beklagt die unglaubliche Verschwendung seines besten Tropfens. Es gibt natürlich auch unzählige Geschichten von unglücklich verliebten jungen Männern (da kommen nun die genannten rothaarigen Schönheiten ins Spiel), die ob der verschmähen Liebe zumeist entweder sterben, zumindest aber nach Killiboin gehen wollen, von dem nicht einmal die Iren selbst wissen, was oder wo es ist. Einer der allerdings definitiv nicht sterben will ist der notorische Säufer und Geizhals  Jakob Oldman aka Stingy Jack, den der Teufel in der Nacht auf Allerheiligen (all hallows eve, im Dialekt Halloween) in seiner Stammkneipe aufsucht, um ihn mitzunehmen. Jack handelt einen letzten Drink aus, als der Teufel sich in ein Sixpence-Stück verwandelt, um den Drink zu bezahlen, steckt Jack ihn in seine Geldbörse, in der ihn ein Silberkreuz bannt, was Jack zehn Jahre Aufschub einbringt. Als nach zehn Jahren der Teufel – wiederum in der Nacht auf Allerheiligen – erneut kommt, erbittet sich Jack als Henkersmahlzeit einen Apfel vom Baum. Während der Gehörnte hierzu auf den Baum klettert, schnitzt Jack ein Kreuz in die Rinde, bannt den Teufel so erneut, der nun zerknirscht ganz auf die Seele verzichten muss. Als Jack dann aber irgendwann stirbt, kommt er weder in den Himmel noch in die Hölle, der Teufel schenkt ihm aber ein Stück Glut aus dem Höllenfeuer, das er in eine ausgehöhlte Rübe steckt, um seinen Weg zu beleuchten, denn er muss nun dauerhaft ruhelos umherwandeln. Und natürlich können wir ihm in der Nacht auf Allerheiligen draußen begegnen. Wie auch manch anderen, Geistern, Toten, Dämonen, die aber alle lichtscheu sind, vielleicht weil sie die glühende Kohle an die Niederlage des Teufels erinnert.

Jack o'lantern ist eine Rübe. Da in den USA aber Ende Oktober massenhaft Kürbisse reif sind, hat man dort einfach die hergenommen. Man kann den Amerikanern vorwerfen, dass sie aus guten Geschichten ein kommerzielles Geschäft gemacht haben. Man kann uns vorwerfen, dass wir unkritisch diesen Kitschkommerz übernehmen, obwohl bei uns die Kürbisse Ende Oktober meist schon matschig sind, während Zuckerrüben lange stabil bleiben. Man kann den Iren aber nicht vorwerfen, dass sie gute Geschichten kennen. Und eine Geschichte ist es, nicht mehr. Die Iren haben kein Problem mit dem keltischen Samhain und mit den Traditionen um Allerheiligen. Wir sollten es auch nicht haben. Und uns freuen, wenn fröhliche Kinder an der Tür stehen und Süßes wollen oder Saures liefern.